Stress ist eine Reaktion des Körpers auf eine bedrohliche Situation. Da das Pferd ein Fluchttier ist, wird es instinktiv versuchen, sich bedrohlichen, unangenehmen oder schmerzhaften Situationen zu entziehen. Erst, wenn aus Erfahrung gelernt wurde, dass eine Situation nicht bedrohlich ist, wird das Pferd die Situation instinktiv „beherrschen“. Das beeindruckende Gedächtnis eines Pferdes spielt hier ebenfalls eine Rolle, da sowohl positive als auch negative Erfahrungen lange gespeichert bleiben. Negative Erfahrungen können gelöscht werden, indem diesen in ähnlichen Situationen positive Erfahrungen gegenübergestellt werden. Dies erfordert Verständnis und eine subtile Vorgehensweise. Rasse, Erziehung und Training des Pferdes sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Selbstverständlich bleibt es schwer, schlüssige Lösungen für Stress zu finden. Die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen ist nicht einfach. Da das Tier nicht sprechen kann, kann nur schwer gefolgert werden, wann das Tier Stress empfindet.
Wenn ein Pferd nicht ausreichend vor einer Situation „fliehen“ oder diese nicht „beherrschen“ kann, entsteht Stress. Extreme Formen von Stress können ein unangepasstes Verhalten auslösen. Stress kann sich auch weniger auffällig durch mäßige Leistungen, Konzentrationsverlust und Widerspenstigkeit äußern. Eine physische Äußerung von Stress kann zu übermäßigem Schwitzen und Schäumen führen, obwohl die Tätigkeit dazu keinen Anlass gibt (nicht mit schlechter Kondition verwechseln!), sowie einen erhöhten Puls, Unregelmäßigkeiten in den Gangarten und Atmungsprobleme verursachen. Der Stressgrad und wie das Pferd damit umgeht, hängen vom Charakter und Temperament des Pferdes ab.
Stress ist nicht immer negativ, sondern kann sich auch positiv auf die Leistungen des Pferdes auswirken. Stress sorgt nämlich für einen Adrenalinkick, der leistungsverbessernd wirken kann. Das Adrenalin sorgt für eine erhöhte Aufmerksamkeit, eine verbesserte Sauerstoffzufuhr zu den Muskeln und Extremitäten und eine erhöhte Freisetzung von Glykogen, wodurch zusätzliche Energie freigesetzt wird. Dies alles kann eine verbesserte Leistung nach sich ziehen. Der Stress darf allerdings nicht zu lange anhalten, da langfristiger Stress ernsthafte Folgen haben kann, wie eine beschleunigte Energiezufuhr, die dafür sorgt, dass das Pferd schneller auf anaerobe Energie umschaltet. Dies führt zu Laktatproduktion mit möglicherweise verhängnisvollen Folgen. Auch die Verdauung kann auf unterschiedliche Weise durcheinandergebracht werden, woraus sich ernsthafte Krankheiten entwickeln können. So kann Stress das Risiko auf Koliken, Magengeschwüre und Muskelprobleme erhöhen.
Der Körper reagiert auf zweierlei Art auf Stress: mit einer schnellen, nur kurz dauernden Schreckreaktion sofort nach einem bestimmten Reiz oder mit einer langsamen Stressreaktion, die langfristigen Stress auslöst.
Bei der schnellen Stressreaktion – zum Beispiel, wenn das Pferd erschrickt – werden Adrenalin und Noradrenalin freigesetzt. Diese Stoffe schaffen im Körper einen Zustand der Bereitschaft.
Puls und Atmung steigen und die Blutgefäße erweitern sich, wodurch die Blutzufuhr zu Muskeln und Extremitäten zunimmt und sich die Blutversorgung des Darms in die Muskeln verschiebt. Bei einem Überschuss an Noradrenalin kann Angst oder Panik entstehen.
Bei länger anhaltendem Stress setzen die Nebennieren das Hormon Cortisol frei.
Als Reaktion darauf wird Energie freigesetzt, um schnell auf die Stressreize reagieren zu können. Gleichzeitig wirkt Cortisol hemmend auf die Stressreaktion, da es die Adrenalinproduktion senkt. Bei langfristigem Stress erreichen die Cortisolspiegel im Blut zu lange ein erhöhtes Niveau und werden die Nebennieren erschöpft. Außerdem sorgt Cortisol für erhöhte Blutzuckerspiegel, was Stoffwechselprobleme wie Hufrehe verursachen kann.
Bei der Zusammensetzung von Rationen und der Planung der Tageseinteilung von stressanfälligen Pferden sind einige Punkte zu berücksichtigen. Zunächst ist darauf zu achten, dass die Energiemenge, die das Pferd über die Ernährung aufnimmt, mit der im Training oder Weidegang verbrauchten Energiemenge im Gleichgewicht ist. Jeder möchte nur das Beste für seine Pferde, aber manche Menschen meinen es derart gut, dass sie die Neigung haben, ihre Pferde zu überfüttern. Um herauszufinden, ob Sie zu viel oder zu wenig füttern, können Sie einen Rationsrechner verwenden (www.MyCavalor.com). Dieser berechnet, wie viel Energie das Pferd für die von ihm verrichtete Tätigkeit benötigt. Vergessen Sie dabei nicht auf die Wichtigkeit von Bewegung für das Pferd! Pferde leben von Natur aus als Steppentiere, die sich andauernd von nahrungsarmen Gebieten in nahrungsreiche Gebiete bewegen. Auf diesen großen Flächen kann es auch fliehen. Wie beim Menschen auch, führt eine Einschränkung des Bewegungsraums zu Irritationen. Es ist nicht immer einfach, aber wir müssen versuchen, dem Pferd durch Abwechslung im Tagesprogramm Raum zu schenken. Bieten Sie ihm ausreichend Gelegenheit, sich „die Beine zu vertreten“ und Langeweile zu vermeiden. Stressanfälligen Pferden hilft es auf alle Fälle, mindestens 2–3 Stunden lang auf der Weide zu stehen.
Wenn bekannt ist, wie viel Energie ein Pferd benötigt, kann diese Energie dem Menü des Pferdes auf unterschiedliche Art beigegeben werden. Bei stressanfälligen Pferden wird Energie möglichst in Form von Fett oder Ballaststoffen beigegeben. Fett und Ballaststoffe liefern langsam und über einen langen Zeitraum Energie. Extreme Energiespitzen erkennen wir bei diesen Energiequellen nicht. Die vor allem in Grundfutter vorhandenen Ballaststoffe sind nicht nur eine gute Quelle für langsame Energie; viel Grundfutter ist auch ein wirksames Mittel gegen Langeweile. Sorgen Sie dafür, dass das Pferd den ganzen Tag hindurch die Möglichkeit hat, auf trockenem Heu oder Stroh zu kauen. Energie kann auch in Form von Zucker und Stärke, beispielsweise aus Getreide, beigegeben werden. Getreide sorgt für Energiespitzen, die bei stressanfälligen Pferden nicht erwünscht sind. Aus diesem Grund sind Hafer und Weizen für stressanfällige Pferde nicht zu empfehlen. Diese Getreidearten enthalten nämlich eine große Menge an gut verdaulichem/r Zucker und Stärke. Über je mehr Mahlzeiten die Ration verteilt wird und je kleiner die Mengen an Zucker und Stärke pro Mahlzeit sind, desto besser.
Außerdem gibt es bestimmte Nährstoffe, die die Stressbekämpfung unterstützen. Beispiele für Nährstoffe, die entspannend oder beruhigend wirken, sind: Magnesium hilft, den Herzrhythmus und den Blutdruck zu regeln, und ist auch wichtig für die Muskelspannung und -entspannung. Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure für das Pferd. „Essentiell“ bedeutet, dass der Körper diesen notwendigen Stoff nicht selbst produzieren kann, wodurch dieser zugeführt werden muss. Tryptophan stimuliert die Produktion wichtiger Stoffe, unter anderem des Neurotransmitters Serotonin. Serotonin ist ein vom Körper selbst produziertes Anti-Stress-Hormon, das den Pferden ein gesteigertes Wohlbefinden verleiht. Serotonin kommt im Gehirn vor und sorgt dafür, dass notwendige Reize korrekt übertragen werden. Ein Tryptophanmangel kann unter anderem zu übermäßigem Stress und einer Störung der Schlafzeiten führen. Eine erhöhte Zufuhr erleichtert jedoch die Stressbeherrschung. Tryptophan kann mithilfe einiger B-Vitamine (hauptsächlich B1) schnell aufgenommen werden, wodurch eine Verabreichung kurz vor dem Wettkampf möglich ist. B-Vitamine sind zudem für das Gleichgewicht in den Neurotransmittern und Nervenzellen wichtig.
Auch eine Vielzahl von Kräutern und insbesondere die Kombination verschiedener Kräuter können beruhigend wirken, ohne die Motorik zu beeinflussen. Einige Beispiel für beruhigende Kräuter sind: Avena Sativa: enthält die Vitamine B1, B2, B6 und Magnesium, die für ihre beruhigende Wirkung bekannt sind. Betula: erhöht die Wirkung der Nierenfunktion und verlangsamt auf diese Art die Produktion von Adrenalin. Glycyrrhiza Glabra: Glycyrrhizin wirkt synergetisch auf Cortisol, das die Produktion von Adrenalin kontrolliert. Passionsblume: ist als wirksames Beruhigungsmittel bekannt, das das Konzentrationsvermögen nicht senkt. Allium Sativa: ist für seine Wirkung auf das Nervensystem bekannt.
Sie müssen verstehen, dass ein Pferd eine biologische Uhr besitzt. Die Unterbrechung des aus Fütterung, Training, Weidegang und Ruhe bestehenden Musters kann bei einigen Pferde Unruhe verursachen. Auch Änderungen im Pflege- und Trainingsschema sind schrittweise vorzunehmen.
Neben Fütterung und Bewegung ist auch sozialer Kontakt wichtig für den Gemütszustand der Pferde – schließlich handelt es sich dabei um Herdentiere. Ställe, in denen Pferde aneinander riechen, oder Weiden, auf denen Pferde zu zweit oder mit mehreren Artgenossen zusammen grasen können, wirken sich oft positiv auf die Stimmung der Pferde aus. Dabei ist der unterschiedliche Charakter der Pferde zu berücksichtigen. Die Bestimmung der Rangordnung zwischen bestimmten Pferden kann ebenfalls Stress auslösen.
Eine wichtige Ursache für Stress beim Pferd ist der Reiter. Unter Reitern ist Stress weitverbreitet. Dabei spielen Leistungsdruck, Geübtheit, die Umstände und Teambildung mit dem Pferd eine wichtige Rolle. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Stress übertragbar ist – und zwar ganz bestimmt auf sensible Tiere wie Pferde. Pferde reagieren äußerst empfindlich auf unterschiedliche Gemütszustände. Je sicherer und ruhiger der Reiter ist, desto weniger Stress hat das Pferd. Dies gilt nicht nur für Turniere, sondern auch für Trainings und während des Transports. Nehmen Sie sich vor allem Zeit!
Die Überschätzung der Kapazitäten eines Pferdes überträgt sich in Stress. Bringen Sie einem Pferd spielerisch den Umgang mit möglichst vielen Situationen bei und nehmen Sie sich dabei Zeit. Achten Sie darauf, als Trainer/Reiter die erwarteten Reaktionen des Pferdes vorauszusehen und die unerwarteten Reaktionen möglichst auszugleichen und zu relativieren. Diese Ruhe macht auch das Pferd ruhiger.
Die Wichtigkeit von Bewegung haben wir bereits angesprochen, aber manchmal müssen Pferde infolge von Verletzung oder Erkrankung notgedrungen im Stall bleiben. In solchen Fällen müssen eine angepasste Ernährung und eventuell Futterzusätze eingesetzt werden, um zu gewährleisten, dass das Pferd ruhig bleibt und sich auch weiterhin wohlfühlt. In diesen Situationen sind Futter mit wenig Zucker und Stärke in Kombination mit sehr viel Grundfutter zu empfehlen, um die Pferde möglichst viel kauen zu lassen und Langeweile zu vermeiden.
Bestimmte Rassen und Stammbäume sind stressanfälliger als andere. Dies ist genetisch bedingt, aber auch die Erziehung eines Pferdes spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Vorgeschichte eines Pferdes bestimmt dessen Verhalten. Unter welchen Bedingungen wuchs das Fohlen auf? Wie sahen die Unterbringung im Stall und der Weidegang aus? Welches Futter hat es erhalten? Welches Training hat es erhalten und welche Wettkampferfahrung besitzt es?
Neben den bereits angeführten Ursachen für Stress gibt es noch einige andere Faktoren, die bei Pferden Stress auslösen können, wie Transport, neue Umgebungen usw. Daraus können wir nur schlussfolgern, dass Pferde äußerst sensible Tiere sind, was wir wiederum berücksichtigen müssen, wenn wir das Leben von Pferd und Reiter möglichst angenehm gestalten wollen. Eine angepasste Ernährung und der Einsatz von Nährstoffen mit beruhigender Wirkung in Kombination mit einem richtigen Stallmanagement und einem maßgeschneiderten Trainingsschema können auf alle Fälle helfen, den Stress einzuschränken.
Stress ist ein Phänomen, das sich bei jedem Pferd anders äußert. Er muss also auch bei jedem Pferd anders behandelt werden. Das Cavalor-Beruhigungssortiment umfasst ein Futter und vier Futterzusätze, die allesamt das Verhalten und Gemüt des Pferdes beeinflussen. Für jedes Produkt liefern wir Richtlinien für die Situationen, in denen sich das Produkt am besten einsetzen lässt. Es ist jedoch so, dass manche Pferde in bestimmten Situationen auf das eine Produkt besser reagieren und andere Pferde wiederum auf ein anderes Produkt. Sie müssen also selbst nachforschen, auf welches Produkt Ihr Pferd am besten reagiert. Auch die Kombination verschiedener Produkte liefert oft erstaunliche Ergebnisse.